Es hat etwas von Goldgräberstimmung. Wobei, eigentlich müsste es Seltene-Erden-Stimmung heißen: Ein schwedisches Bergbauunternehmen hat nach eigenen Angaben das größte bekannte Vorkommen seltener Erden in Europa entdeckt. Die Lagerstätte in der Nähe einer großen Eisenerzgrube in Kiruna umfasst mehr als eine Million Tonnen an Seltenerdoxiden, wie der Staatskonzern LKAB am Donnerstag vor einem Besuch der EU-Kommission in der Region bekannt gab.
Diese Menge würde ausreichen, um einen Großteil der künftigen EU-Nachfrage für die Herstellung von Permanentmagneten zu decken, die für Elektromotoren unter anderem in E-Fahrzeugen und Windkraftanlagen benötigt werden.
"Das sind gute Nachrichten, nicht nur für LKAB, die Region und die schwedische Bevölkerung, sondern auch für Europa und das Klima", erklärte Vorstandschef Jan Moström. Die Lagerstätte könnte zu einem bedeutenden Baustein für die Herstellung wichtiger Rohstoffe werden, die für die grüne Umstellung entscheidend seien.
Der mit Abstand größte Teil der weltweiten Produktionsmenge stammt aus China. Das könnte sich mit dem Fund in Schweden nun ändern.
Alle wichtigen Fragen und Antworten zu der Entdeckung von Kiruna:
Insgesamt 17 Elemente zählen zu den Seltenen Erden. Die Eigenschaften der einzelnen Metalle unterscheiden sich, unter dem Sammelbegriff zusammengefasst werden die 17 Elemente, weil sie häufig zusammen vorkommen. Jedes einzelne dieser Metalle hat Eigenschaften, die es für die Industrie wertvoll machen. Teils sind sie unersetzlich.
Europium etwa wird für Fernsehbildschirme gebraucht, Cerium zum Polieren von Glas, Lanthan für Katalysatoren in Benzinmotoren. Aus Neodym und Dysprosium werden Magneten für Off-Shore-Windräder hergestellt. Seltene Erden finden sich auch in Drohnen, Festplatten, Elektromotoren, Teleskoplinsen, Raketen oder Jagdflugzeugen.
Sie werden auch für die Produktion von Smartphones und Elektroautos benötigt, etwa für Batterien und Magnete, aber auch für Leuchtmittel.
Jein. Grundsätzlich kommen die meisten Seltenen Erden in der Erdkruste vergleichsweise häufig vor, auch in Deutschland gibt es im Norden Sachsens ein großes Vorkommen. Vor der Bekanntgabe der Entdeckung des Vorkommens von geschätzt einer Million Tonnen in Schweden wurden die weltweiten Reserven auf 120 Millionen Tonnen geschätzt, mehr als ein Drittel davon in China.
Forscher gehen auch von weiteren, noch nicht bekannten Vorkommen aus. Die entscheidende Frage ist aber, ob sich der Abbau wirtschaftlich lohnt – denn der Aufwand und die Folgekosten für die Umwelt sind hoch.
Seltene Erden sind in der Regel in Verbindungen in Erzschichten enthalten. Problematisch ist die Gewinnung der Seltenen Erden in möglichst reiner Form aus dem abgebauten Erz. Dafür sind chemische Prozesse häufig unter Anwendung von Säuren nötig. Die Verfahren sind komplex und haben zahlreiche Nebeneffekte: Es entstehen radioaktive Isotope und giftige Abwässer; die Gegenden um die Produktionsgebiete gleichen häufig Mondlandschaften. Die Förderung von Seltenen Erden in Deutschland gilt Experten zufolge aus Umweltgründen als nicht möglich.
Den Weltmarkt dominiert China, während in Europa derzeit kein Abbau von Seltenerdelementen stattfindet. Europäische Länder sind bei der Produktion von E-Autos und Windrädern daher auf Importe angewiesen.
China verfügt selbst über große Vorkommen, seine Führungsrolle sei aber vor allem "Ergebnis einer langfristigen Industriepolitik", sagt Jane Nakano, Forscherin am Internationalen Zentrum für Strategische Studien (CSIS) in Washington. Peking hat über die Jahre durch massive staatliche Investitionen ein großes Netzwerk zur Veredelung von Rohmaterialien aufrechterhalten, weshalb heute viele Produzenten von Seltenen Erden diese nach China exportieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem eine "verspätete Regulierung der Rohstoffindustrie", sagt Nakano. Peking habe sich seine Dominanz bei den Seltenen Erden zudem durch hohe Umweltkosten der eigenen Produktion erkauft.
Einem Kommissionsbericht aus dem Jahr 2020 zufolge bezog die EU zu dieser Zeit 98 Prozent ihres Bedarfs an seltenen Erden aus China. Das bedeutet gleichzeitig, dass Europa ein riesiges Problem bekommen würde, sollte China die Belieferung aus politischen oder strategischen Gründen drosseln oder sogar einstellen. Zudem dürfte der Bedarf im Zuge der Elektrifizierung weiter stark steigen. "Die Nachfrage nach seltenen Erden, die in Permanentmagneten, etwa für Elektrofahrzeuge, digitale Technologien oder Windgeneratoren zum Einsatz kommen, könnte sich bis 2050 verzehnfachen", heißt es in dem Kommissionspapier.
Der Weg zum möglichen Abbau der Metalle in Kiruna ist nach LKAB-Angaben allerdings lang. Erster Schritt sei die Beantragung einer Zulassung wohl noch in diesem Jahr. Mit Blick auf andere Genehmigungsverfahren in der Industrie dürfte es mindestens 10 bis 15 Jahre dauern, bevor man tatsächlich mit dem Abbau beginnen und Rohstoffe auf den Markt bringen könne.
Moström erklärte, es könne aber "mehrere Jahre" dauern, um das Vorkommen und die Bedingungen zu erkunden, es "profitabel und nachhaltig" abzubauen.
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