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Zugegeben, die PR-Aktion war gelungen: Einen Tag vor dem offiziellen Auftakt der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft in der vergangenen Woche verkündete das Land einen angeblich sensationellen Rohstoff-Fund. Mit Helm und Grubenjacke schwärmte Schwedens Energieministerin Ebba Busch (die früher PR-Beraterin war) von der "wundervollen Mine" in Kiruna, in der Europas bisher größtes Vorkommen an Seltenen Erden gefunden worden sei. Das rette gleichsam Europas Zukunft, tönte Busch: "Elektrifizierung, Europas Selbstversorgung und die Unabhängigkeit von Russland und China werden in dieser Mine beginnen."
Prompt griffen viele Medien die Botschaft vom "Schlüssel zu Europas grünem Wandel" (Aftonbladet) auf. Unter Fachleuten hingegen fiel die Reaktion eher mau aus. "Der Fund in Kiruna ändert kurz- und mittelfristig gar nichts", sagt der Geologe Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Es sei seit vielen Jahren bekannt, dass im Eisenerz von Kiruna Seltene Erden enthalten seien; sie würden dort auch schon gefördert, nur eben bisher nicht aufbereitet; zudem gebe es genug andere Vorkommen außerhalb von China – etwa in Grönland, Kanada oder Australien –, die zum Teil deutlich größer seien.
Und dennoch könnte der Fund in Kiruna zu einem Wendepunkt für Europa werden. Dafür wäre nicht die Verfügbarkeit der Rohstoffe entscheidend, sondern die Bereitschaft der Europäer, dafür einen Kraftakt zu wagen. Was auch hieße, wieder selbst zu graben und ein neues Zeitalter des Bergbaus zu beginnen.
Ein Wahnsinn, könnte man meinen. Schließlich war Europa lange ein Kontinent der Minen. Im 19. Jahrhundert wurden England, Frankreich und Deutschland mit dem Abbau von Kohle und Eisenerz zum Motor der Weltgeschichte. Kriege wurden um die Rohstoffe geführt, das Klima, die Umwelt, die Gesundheit der Menschen gefährdet. Verständlich ist deshalb der Wunsch, so schnell wie möglich wegzukommen von den schmutzigen Gruben.
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Es wäre der falsche Schritt. Denn um die fatalen Folgen des großen Bergbau-Zeitalters in den Griff zu bekommen, führt kein Weg an neuen Minen vorbei: An den insgesamt 17 Elementen der Seltenen Erden (SE) – die keine "Erden" sind, sondern spezielle Metalle – hängen zahlreiche Produkte, die für die Energiewende entscheidend sind.
Und nicht nur dafür: Das SE-Element Lanthan etwa braucht man für die Akkus von Elektroautos und Laptops, für Brennstoffzellen und Rußpartikelfilter; die Metalle Neodym, Praseodym oder Dysprosium werden für die Magnete in Windkraftanlagen oder Elektromotoren benötigt, Yttrium, Scandium oder Europium wiederum sind für LEDs, Plasmabildschirme, Brennstoffzellen oder Leuchtstofflampen unabdingbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schrieb über die Seltenen Erden: "Es ist fast unmöglich, ein Stück moderner Technologie zu nutzen, das keine enthält."
Allerdings liegt der landläufigen Meinung über Seltene Erden ein Missverständnis zugrunde: Die Metalle sind weder besonders selten noch ist es so, dass die Europäer keinen Zugang dazu hätten. Entgegen ihrem Namen sind die Seltenen Erden sogar relativ häufig und finden sich an vielen Stellen in Europa. In Finnland wurden noch bis in die 1990er-Jahre entsprechende Minen betrieben.
Das wahre Problem dieser Stoffe liegt darin, dass sie gerade so billig sind. Denn China, das derzeit über 80 Prozent der aufbereiteten Seltenen Erden vertreibt, tut dies zu sensationell günstigen Preisen. Deshalb sind (fast) alle anderen Wettbewerber chancenlos, deshalb kaufen auch westliche Firmen vorwiegend in China, und deshalb hat das Land eine marktbeherrschende Stellung.
Schon in den 1970er-Jahren erkannte Deng Xiaoping, dass die Seltenen Erden "das Erdöl Chinas" sind. Rund 40 Prozent der weltweiten Vorkommen lagern im Reich der Mitte, vor allem in Bayan Obo an der Grenze zur Mongolei. Unter Dengs Führung beschloss das Land 1986 eine langfristige Strategie, um Abbau und Veredelung der Seltenen Erden in China zu konzentrieren. Die ist, wie sich heute zeigt, voll aufgegangen.
Nun ist die Abhängigkeit so groß, dass Europa jederzeit erpressbar ist. Würden die Europäer – etwa im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan – mit Sanktionen drohen, könnte ihnen China einfach die Versorgung mit Seltenen Erden verweigern und somit wichtige Industriezweige lahmlegen.
Es gibt auch reichlich von dem Zeug in der Ukraine. Oder warum gibt es dort gerade einen Krieg ? Denken sie einmal darüber nach.
So ein Quatsch. Wie im Artikel beschrieben, sind diese Elemente eben nicht selten. Abbau und Veredelung wurden nur in Europa strategisch vernachlässigt. Nun beherrscht China den Markt vor allem, weil es ernsthaft fördert und veredelt und nicht, weil es die einzigen Vorkommen hat.
Die Eroberung nicht erschlossener Vorkommen in der Ukraine würde Russland also gar nichts bringen, wenn sie nicht das Know How und die Kapazitäten zur Veredelung haben.
„tut dies zu sensationell günstigen Preisen. das Deshalb sind (fast) alle anderen Wettbewerber chancenlos“ Noch ein Grund mehr, Produkte aus China mit hohen Zöllen zu belegen. Ich kann es nicht mehr hören, wenn gesagt wird, das geht nicht, weil es aus China billiger ist, ob nun Chips, Windräder, PV etc etc
"Noch ein Grund mehr, Produkte aus China mit hohen Zöllen zu belegen."
Die Chinesen sind aber auch ein Absatzmarkt. Was wir können, das können die auch.
"Prompt griffen viele Medien die Botschaft vom "Schlüssel zu Europas grünem Wandel" (Aftonbladet) auf."
Dazu gehörte auch diese Zeitung, zumindest der Teil,der im Online erscheint.
Insofern ist es gut, dass dazu jetzt umfangreiche Hintergrundinformationen erscheinen. Aber der erscheint im Online ganz unten. während die Jubelmeldung der - wie sagt so schön - Eyecatcher war.
Die Ausbeutung der Erde endet dort, wo die Menschheit erkennt, dass es genug ist und die Langzeitfolgen größer als der momentane Nutzen.
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