Grüner Goldrausch: Der Kampf um die Rohstoffe für die Energiewende - Capital.de

2023-02-15 15:25:25 By : Ms. Binger Binger

Die Rückkehr der USA in die internationale Klimapolitik bringt eine neue Dynamik in die Diskussion um den weltweiten Klimaschutz. Je mehr Länder aber eine Wende in ihrer Energie-, Klima- und Mobilitätspolitik vollziehen, desto schärfer wird der Wettbewerb um die Technologie, die diese Transformation erst möglich macht. Die Wende werde rohstoffintensiv, konstatiert etwa die Weltbank. Für die dafür unentbehrlichen oder „kritischen“ Mineralien gibt es keine einheitliche Definition. Die Staaten bemühen sich darum, die Versorgungssicherheit für den Umstieg auf E-Mobilität, Solar- und Windenergie zu gewährleisten. Denn das Rohstoffangebot konzentriert sich häufig auf wenige Länder, was Abhängigkeiten schafft.

„Geopolitisch werden sichere Lieferketten für die Beschaffung dieser Materialien für Staaten eine strategische Aufgabe“, sagt Jane Nakano, Autorin einer neuen Studie des Programms für Energiesicherheit und Klimawandel am Center for Strategic & International Studies (CSIS) in Washington. Abhängigkeiten könnten nicht nur das Tempo der Umstellung beeinflussen, sagt sie. Die Technologien für saubere Energie seien bereits „zum jüngsten Reibungspunkt der geo-ökonomischen Rivalität geworden, die von Chinas wettbewerbsfähiger Industrie ausgeht“.

China nimmt bei der Versorgung mit praktisch allen Rohmaterialien für saubere Energien eine starke bis beherrschende Stellung ein. Problematisch dabei: Inzwischen ist die Volksrepublik vom Rohstofflieferanten selbst zum Konsumenten geworden. Präsident Xi spricht von historischen Chancen einer neuen Phase der „industriellen Transformation“. Vergangenes Jahr stellte China mit dem Bau von 120 Gigawatt Wind- und Solarenergie einen neuen Rekord auf. Auch die Initiative Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative/BRI) investierte laut „Financial Times“ erstmals mehr in erneuerbare Projekte als in fossile Energieträger.

Im Grunde geht es um den Umstieg von Öl und Gas auf Strom. Geopolitisch können Länder sich bei der Umstellung entweder als Exporteuer von sauberem Strom profilieren oder Technologieführer bei Endprodukten wie Elektromotoren werden oder sie können wichtige Positionen in internationalen Lieferketten aufbauen, besagt eine Studie. In letzterem ist China bei etlichen der „kritischen“ Mineralien führend. Vor allem bei Seltenen Erden kontrolliert die Volksrepublik den Anfang der Lieferkette. Andere wichtige Erze stammen aus wenigen Ländern, doch sichert sich China zunehmend die Verarbeitung, warnt etwa Andrew Miller von Benchmark Minerals Intelligence.

Wollten andere Staaten in diesem Wettbewerb angreifen, könnten sie Chinas Vormachtstellung also am ehesten am Beginn der Lieferketten und in der Verarbeitung und Veredelung angreifen, sagt Miller. Am größten sei der Spielraum an der Quelle. Das hängt aber von der Technologie ab. So hat China nach einer europäischen Analyse an der Gewinnung von einem Dutzend Rohstoffen für Batterien einen Anteil von 32 Prozent, neben Afrika mit 21, Lateinamerika mit 21 und anderen Regionen mit 26 Prozent. Schon bei der Herstellung von Kathoden- und Anodenmaterial und dem Bau fertiger Teile steigt Chinas Marktanteil auf je 52 Prozent – neben Japan mit 31 und Europa mit weniger als 10 Prozent.

Ähnlich nimmt China bei der Erstverarbeitung von Materialien für Windanlagen mit 41 Prozent eine starke Stellung ein (neben EU 12 und USA 9 Prozent), die Komponenten werden dann schon zu 56 Prozent in China hergestellt (EU 20, USA 11 Prozent). Und in der Solarenergie stellt China 53 Prozent der Rohstoffe, 50 Prozent der Verarbeitung. Es hat mit 89 Prozent quasi ein Monopol beim Bau der Komponenten – und kontrolliert schließlich 70 Prozent der Montage von Modulen.

Wie sich beim Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien die Gewichte global verschieben, beschrieb der frühere Chef der Welthandelsorganisation Pascal Lamy so: „Vor 18 Monaten hatte nur ein Viertel der Welt einen Horizont der Dekarbonisierung, heute sind es drei Viertel der Weltwirtschaft. Das ist eine gewaltige Verschiebung.“

Wie also positionieren sich Wirtschaftsmächte im Wettstreit um Rohmineralien für saubere Energie? Ein Überblick:

Präsident Xi Jinping besuchte 2019 das Unternehmen JL MAG Rare-Earth in der Stadt Ganzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangxi. Die Visite inmitten des Handelskriegs mit den USA wurde als Wink mit dem Zaunpfahl gesehen, dass China die Lieferung Seltener Erden stoppen könnte. Diese sind etwa für Magneten in der Windkraft unabdingbar. Auch in der Verarbeitung von Komponenten für moderne Lithium-Ionen-Batterien hat China eine Vormachtstellung. Mehr als 80 Prozent des Kobalts, der in der E-Mobilität für das Kathodenmaterial von Batterien gebraucht wird, stammt aus chinesischer Veredelung, bevor er chemisch weiterverarbeitet wird. China kontrolliert zu 60 Prozent die Gewinnung von Naturgraphit und zu 80 Prozent die Produktion von Flockengraphit, aus dem Kugelgraphit für Batterien wird. Der energieintensive Prozess wird fast ausschließlich von chinesischen Unternehmen durchgeführt. Auch bei Anodenmaterial liegt China vorn.

Spanien ist führend in der Solarenergie, wie mit diesem Turmkraftwerk in Andalusien. Insgesamt sind EU-weit 137 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert. In 22 der 27 Mitgliedsstaaten wurd 2020 mehr Leistung zugebaut als im Vorjahr. Von 13 Rohmaterialien, die für alle Bestandteile von Solarzellen benötigt werden, stuft die EU fünf als „kritisch“ ein: Bor, die Halbleiter Germanium und Silizium sowie Gallium und Indium, die anders als Zink oder Platin nicht recycelt werden können. Auch Cadmium und Selen werden benötigt. Die EU hat 2020 eine Rohstoffallianz zwischen Investoren, Mitgliedsländern, Regionen und der Europäischen Investitionsbank gestartet, um den Import von kritischen Rohstoffen aus den Erzeugerländern zu diversifizieren, den eigenen Anteil zu erhöhen und durch effektive Wiederverwendung zu sichern. Eine europäische Batterie-Allianz hat zum Ziel, 80 Prozent des benötigten Lithiums in der EU aus einheimischen Quellen zu beziehen.

Mithilfe des Bergbaus von Molycorp in Kalifornien, wo das größte Vorkommen an Seltenen Erden außerhalb Chinas liegt, wollten die USA sich von diesen wichtigen Rohstoffen unabhängig machen. Den USA fehlen aber die Kapazitäten zur Verarbeitung des Rohmaterials. Chinesische Lieferungen deckten seit 2015 rund 80 Prozent des Bedarfs. Im Mai 2018 stellte die Regierung in Washington eine Liste von 33 Mineralien und zwei Gruppen für Platinmetalle und Seltene Erden auf und warnte, dass die USA bei 31 Einträgen zur Hälfte des Jahresverbrauchs von Importen abhängig seien. Auch die mangelnde „Upstream“-Kapazität zur Verarbeitung wurde angesprochen. Der neue US-Präsident Joe Biden hat im Zuge der angekündigten Energiewende eine dringende Überprüfung der „Verwundbarkeiten“ angeordnet.

Japan verfolgt zur Verteidigung seiner Wettbewerbsfähigkeit schon seit Jahren eine aktive Rohstoffstrategie. Hier ein Elektrokleinfahrzeug von Toyota auf der Tokio Motor Show. In der Verarbeitung verfügt es vor allem bei Seltenen Erden über Kapazitäten und steht für 15 Prozent der jährlichen globalen Magnetproduktion, vor allem für NdFeB-Dauermagneten von Hitachi, Shin-Etsu Chemical und TDK, bei denen es einen Anteil von rund 48 Prozent erlangte. Bei Seltenen Erden hat Japan seine Abhängigkeit auf 58 Prozent reduziert. Tokio investiert viel in Forschung und Entwicklung – auch zusammen mit den USA – um kritische Mineralien zu substituieren. Außerdem laufen Programme zur Gewinnung von unter anderem Kobalt und Nickel aus dem Meeresgrund vor Okinawa – beide wichtig für Elektroantriebe.

Lagerstätten mit Seltenen Erden sind in der Welt weit verbreitet, aber schwer zu finden und aufwändig im Abbau. Auch im Westen Australiens – hier ein Protest bei einer Rohstoff- und Bergbaukonferenz in Melbourne – befindet sich ein Areal, das aber nur halb so ertragreich sein soll, wie die Vorkommen in China. Selten-Erden-Elemente werden vor allem für Permanentmagnete in Generatoren der Windkraftanlagen gebraucht. NdFeB-Magneten sind die derzeit stärksten Dauermagneten aus einer Legierung von Neodym, Eisen und Bor. Das Unternehmen Arafura will in einer riesigen Mine im Norden Australiens bald zwischen fünf bis zehn Prozent der weltweiten Nachfrage nach Neodym decken. In Australiens Westen konzentriert sich neben Südamerika auch die Gewinnung von Lithium, das für die E-Mobilität unerlässlich ist.

In Südamerika wird Lithium aus salzhaltigen Solen extrahiert, wie hier in den Salinas Grandes im Nordwesten Argentiniens auf einer Höhe von rund 3.450 Metern. Allein in Argentinien und Chile lagern zwei Drittel der weltweiten Reserven von Lithium. Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt, dass die Länder auch 46 Prozent der Förderung auf sich vereinen. Auch Bolivien sucht Anschluss in dem relativ kleinen Markt (33.000 Tonnen 2015). Die Europäische Union bezieht nach Angaben der EU-Kommission 78 Prozent des Lithiums aus Chile. Australiens Förderung wird zum größten Teil in China verarbeitet. In der E-Mobilität gilt vor allem Lithium unter den Batterierohstoffen als schwer zu substituierende Schlüsselkomponente.

Die Kupfer- und Kobaltmine Tenke Fungurume in der Demokratischen Republik Kongo hat schon viele Besucher gesehen. Hier eine belgische Delegation im Jahr 2012. Zuletzt hat sich China für die Mine interessiert. Die in Hongkong und Shanghai börsennotierte Gesellschaft Molybdenum übernahm sie 2016 vom US-Kupfer-Giganten Freeport-McMoran. Seitdem ist die Nachfrage nach den Erzen von hier gestiegen. Kupfer wird in Kabeln und Turbinen gebraucht, Kobalt in Autobatterien. China Molybdenum kontrolliert ein Zehntel der weltweiten Kobalt-Stätten. Die DR Kongo ist mit über 50 Prozent Marktanteil der größte Produzent des überwiegend als Beiprodukt von Kupfer gewonnen Erzes, das auch in China, Australien und Kanada vorkommt. Durch Akquisitionen in der Gewinnung und Weiterverarbeitung des Rohstoffes kontrollieren chinesische Unternehmen nun rund 60 Prozent der Weiterverarbeitung.

Der Balkan-Staat kauft in großem Stil Bergbau-Equipment in China ein. Serbien gehört zu einer Handvoll europäischer Staaten, die in die Gewinnung von Lithium investieren, das sonst vor allem in Australien und Lateinamerika abgebaut wird. Die Lagerstätte Jadar, auf der Rio Tinto Vorkommen von Lithium und Bor sichern will, gilt als vielversprechende Alternative. Auch in Spanien bemüht sich Infity Lithium um eine Lizenz, in Portugal will Savannah Resources einen Tagebau entwickeln. Hierzulande gehen vereinzelt Unternehmen im Erzgebirge an den Start oder wollen Lithiumkarbonat als Beiprodukt aus Thermalquellen gewinnen.

Im Industriepark von Herøya soll eine Großanlage für Batteriegraphit entstehen Wie bei Lithium und Kobalt wird sich auch bei Graphit in den nächsten Jahren die Nachfrage vervielfachen, sagen die Prognosen der EU voraus. Auf dem Markt ist Chinas Vorherrschaft besonders ausgeprägt. China produziert laut Benchmark Mineral Intelligence 65 Prozent des Graphits der Welt und 86 Prozent der Anoden für Lithium-Ionen-Batterien. Um die Lieferketten für das wichtige Material weniger anfällig zu machen, gibt es auch hier einige Unternehmungen in Europa. So hat der norwegische Silizium-Hersteller Elkem unter dem Projektnamen Northern Recharge eine Pilotanlage gestartet, auf die bei erfolgreichem Betrieb eine industrielle Produktion folgen soll.

Ein 50-KWh-Lithium-Ionen-Batterie mit 216 Zellen des Opel Corsa-E auf einem Autosalon 2020. Für die wachsende globale Flotte an E-Autos wollen viele Länder die Abhängigkeit von den Quasi-Monopolisten für Kobalt reduzieren. Über 70 Prozent der gewonnenen Mengen stammen aus dem Kongo, einem der ärmsten Länder der Welt, wo auch illegaler Abbau ein großes Problem für nachhaltige Beschaffung darstellt. Eines der Unternehmen, die in den Abbau von Kobalt und Nickel in Europa investieren, ist die finnische Terrafame. Die staatliche Bergbaugesellschaft besitzt die größte Nickelmine Finnlands und hat die Genehmigung erhalten, eine Batteriematerial-Fabrik in Sotkamo zu starten. Die Fabrik soll laut dem Unternehmen jährlich Nickelsulfat für eine Million Elektroauto-Batterien und ausreichend Kobaltsulfat für 300.000 Batterien herstellen können.

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