Ein neues Material kann schnell seine Form ändern kann. Besonders beeindruckend ist ein kleiner Roboter – doch die Anwendungsfälle sind vielfältig.
Pittsburgh/Hongkong – Ein Forschungsteam aus China und den USA hat Miniatur-Roboter entwickelt, die schnell ihre Form ändern können, indem sie zwischen einem festen und flüssigen Zustand hin- und herwechseln. Die Roboter sind außerdem magnetisch und können Strom leiten. Für ihre Studie, die im Fachjournal Matter veröffentlicht wurde, haben die Forschenden in zahlreichen Videos dokumentiert, was die kleinen Roboter können, wie fr.de berichtet.
Die Videos sind faszinierend – allen voran das Video des kleinen Roboters in Form und Größe einer Legofigur, der aus einem Käfig „entkommt“, indem er schmilzt und sich auf der anderen Seite der Gitterstäbe wieder regeneriert. Der Roboter erinnert an den T-1000 im Film „Terminator 2“, der sich ebenfalls verflüssigte, um Hindernisse zu überwinden. Doch die Inspiration der Forschenden stammt nicht aus Hollywood, sondern aus den Tiefen des Meeres: Einige Seegurken besitzen ein sogenanntes mutables Bindegewebe – ihr Körper kann fest sein, jedoch auch fast flüssig werden.
„Wenn man Robotern die Fähigkeit verleiht, zwischen flüssigem und festem Zustand zu wechseln, erhalten sie mehr Funktionalität“, erklärt der Studienleiter Chengfeng Pan, ein Ingenieur an der Chinese University of Hongkong. Bisher ist es so, dass gängige Roboter hart und steif sind. „Weiche“ Roboter haben dagegen das Problem, dass sie zwar flexibel, aber auch schwach sind und ihre Bewegungen nur schwer zu kontrollieren sind.
Um die Roboter herzustellen, schuf das Forschungsteam ein neues Material, indem sie magnetische Partikel in Gallium einbetteten. Das Material ist dafür bekannt, dass es mit 29,8 Grad Celsius einen sehr niedrigen Schmelzpunkt hat. „Die magnetischen Partikel haben zwei Aufgaben“, erklärt die Studienautorin Carmel Majidi von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. „Die eine ist, dass sie das Material für ein magnetisches Wechselfeld empfänglich machen, sodass man durch Induktion das Material aufheizen und den Phasenwechsel herbeiführen kann.“ Die magnetischen Partikel verleihen den Robotern der Forscherin zufolge aber auch Mobilität und die Fähigkeit, sich in Reaktion auf das Magnetfeld zu bewegen.
Bisher existierende formverändernde Materialien benötigen externe Hitzequellen wie Heißluftgebläse oder elektrischen Strom, um die Transformation vom festen in den flüssigen Zustand einzuleiten. Das neu entwickelte Material wird dagegen durch magnetische Wechselfelder auf 35 Grad Celsius erhitzt – innerhalb von einer Minute und 20 Sekunden schmilzt beispielsweise die Legofigur und wird anschließend mithilfe von Magneten durch die Gitterstäbe gelenkt. Im Vergleich zu anderen Materialien sei das neue Material in der flüssigen Phase sehr flüssig, während andere eher zähflüssig seien, heißt es in einer Mitteilung zur Studie.
Doch wozu kann das formverändernde Material überhaupt genutzt werden? „Potenziell kann das Material für Anwendung in der flexiblen Elektronik, im Gesundheitswesen und in der Robotik eingesetzt werden“, erklärt Studienleiter Pan gegenüber der Washington Post.
In den Videos, die das Forschungsteam in der Studie veröffentlicht hat, sind mehrere mögliche Anwendungsfälle angedeutet: In einem Video teilt sich das Material in zwei Teile und räumt gemeinsam ein Hindernis aus dem Weg. In einem anderen Video ist zu sehen, wie die winzigen Roboter ein Objekt aus einem Modell-Magen entfernen oder Medikamente in den Modell-Magen transportieren. „Jetzt setzen wir dieses Materialsystem in der Praxis ein, um einige sehr spezifische medizinische und technische Probleme zu lösen“, freut sich Studienleiter Pan.
Ein Start-up aus Darmstadt entwickelt intelligente Roboter für Industrieanlagen in der ganzen Welt. Sie sollen die fehlenden menschlichen Fachkräfte ersetzen.
Auch als Lötroboter kommt das formverändernde Material zum Einsatz: Es kann schwer zugängliche Schaltkreise reparieren oder zusammenbauen sowie als universelle mechanische „Schraube“ für den Zusammenbau von Teilen an schwer zugänglichen Stellen fungieren. In diesem Fall schmilzt es in den Gewindesockel der Schraube und erstarrt dort.
„Künftige Arbeiten sollten weiter erforschen, wie diese Roboter in einem biomedizinischen Kontext eingesetzt werden könnten“, betont Majidi. „Was wir hier zeigen, sind nur einmalige Demonstrationen, aber es sind noch viel mehr Studien erforderlich, um herauszufinden, wie sie tatsächlich für die Verabreichung von Medikamenten oder die Entfernung von Fremdkörpern eingesetzt werden könnten“, erklärt die Forscherin. (tab)