Für viele Mittelständler ist es schwer oder gar nicht nachvollziehbar, woher ihre Rohstoffe kommen.
Für viele Mittelständler ist es schwer oder gar nicht nachvollziehbar, woher ihre Rohstoffe kommen.
Berlin Das Sorgfaltspflichtengesetz zum Schutz der Menschenrechte ist noch nicht einmal verabschiedet und es soll auch erst ab 2023 gelten – und doch wirft es bereits seine Schatten voraus. „Große Kunden leiten die Sorgfaltspflicht an ihre Lieferanten wie uns weiter“, berichtet Ludwig Kirchhoff-Stewens, geschäftsführender Gesellschafter der Rötelmann GmbH, die im Sauerland Absperr- und Steuertechnik produziert. Noch bevor das Gesetz in Kraft sei, müsse er sich beispielsweise Fragen gefallen lassen, ob es in seinem Unternehmen zu Kinder- oder Sklavenarbeit komme.
Das Beispiel bestätigt Befürchtungen von Kritikern des Gesetzes: Auch wenn strenge Sorgfaltspflichten nur für große Unternehmen gelten sollen, werden diese versuchen, sich abzusichern, indem sie in Verträgen auch von kleineren Lieferanten die Einhaltung von Menschenrechten einfordern. Er könne verstehen, dass große Kunden ihm jetzt Fragen stellten, obwohl ihnen das selbst peinlich sei, sagt Kirchhoff-Stewens. Aber der Gesetzgeber drohe ihnen nun mal mit harten Strafen.
Das Sorgfaltspflichtengesetz, zuvor auch Lieferkettengesetz genannt, war nach langem regierungsinternen Streit Anfang März vom Bundeskabinett beschlossen worden. Es verpflichtet Unternehmen, darauf zu achten, dass es bei ihren direkten Lieferanten nicht zu Menschenrechtsverstößen kommt, dass sie also beispielsweise keine Kinder für sich arbeiten lassen. Für die weiteren Glieder der Lieferkette gelten weniger strenge Sorgfaltspflichten.
Auf Druck von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) wurde die im ursprünglichen Entwurf enthaltene zivilrechtliche Haftung der Unternehmen wieder fallengelassen.
Es drohen im Extremfall aber Bußgelder von bis zu zwei Prozent eines Jahresumsatzes und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Das Gesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten gelten, ein Jahr später dann für Firmen ab 1000 Mitarbeitern.
Nachdem sich am 22. April der Bundestag erstmals mit dem Entwurf befasst hatte, steht an diesem Freitag die Beratung im Bundesrat an. Während der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss viele Bedenken der Wirtschaft teilt und die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes eher kritisch sieht, fordert der Agrar- und der Umweltausschuss, es auch auf kleinere Unternehmen auszudehnen und den Umweltschutz stärker einzubeziehen.
Viele Rohstoffe werden unter fragwürdigen Bedingungen gewonnen.
Viele Rohstoffe werden unter fragwürdigen Bedingungen gewonnen.
Kleine und mittlere Unternehmen würden durch das Vorhaben nicht direkt belastet, heißt es im Regierungsentwurf. „Allerdings sind mittelbare Auswirkungen im Rahmen der Lieferketten zu erwarten.“ Aus Sicht von Wirtschaftsverbänden darf das Gesetz aber nicht über Umwege auch kleine Firmen in Mitleidenschaft ziehen, die gar nicht in seinen Geltungsbereich fallen.
Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass Unternehmen „ihre bürokratischen Lasten nicht vertraglich abwälzen und so die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit den neuen Dokumentations- und Berichtspflichten belastet werden können“, forderte etwa der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, anlässlich der ersten Lesung im Bundestag.
Das sieht man auch beim Maschinenbauverband VDMA so: Große Unternehmen verfügten über ausreichende Marktmacht und ein Informationsnetz, um Lieferanten konstant auf die Einhaltung der Menschenrechte überprüfen zu können, sagte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann dem Handelsblatt. „Für die mittelständischen Maschinenbauer stellt sich die Welt anders dar.“
Bei komplexen Produkten wie einer Maschine gehe es um Hunderte Lieferanten. „Es ist völlig realitätsfern anzunehmen, Mittelständler könnten diese Strukturen vollständig durchleuchten“, sagt Brodtmann.
Vor welche Herausforderungen sich auch Unternehmen gestellt sehen, die gar nicht unter das Sorgfaltspflichtengesetz fallen, beschreibt Stefan Munsch, Geschäftsführender Gesellschafter der Munsch Chemie-Pumpen GmbH aus Rheinland-Pfalz mit rund 150 Mitarbeitern.
Sein Unternehmen beziehe Kobalt-Samarium-Magnete über einen deutschen Händler, der diese wiederum bei zwei chinesischen Lieferanten einkaufe. Diese könnten aber über die Herkunft des verwendeten Kobalts keine Aussagen machen. Für die Rohstoffbeschaffung sind in China staatliche Einkaufsorganisationen zuständig.
Sollten Großkunden wie Chemieunternehmen, die bei Munsch Pumpen ordern, sich die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten vertraglich zusichern lassen wollen, hat der Geschäftsführer ein Problem: „Zwar kann ich die Verpflichtung, die ich von meinen Kunden erhalte, an meinen Händler weitergeben.“ Dieser stoße aber bereits in seiner direkten Lieferkette an die Grenzen der Überprüfbarkeit.
Weder er als kleiner Mittelständler noch seine Lieferanten in China hätten die Marktmacht, um Auskünfte über die Herkunft des Kobalts zu erzwingen, sagt Munsch. Trotzdem könne ihm eine Flut neuer Fragebögen, Zertifizierungen und Auditierungen drohen. Und wenn er vom Kunden eingeforderten Sorgfaltspflichten nicht nachkommen könne, stehe im Zweifel die Geschäftsbeziehung auf dem Spiel.
Rötelmann-Geschäftsführer Kirchhoff-Stewens verweist noch auf ein anderes Problem, sollte das Auskunftsbegehren von Vertragspartnern zu groß werden: „Geradezu geschäftsschädigend wird es, wenn wir die Namen unserer Lieferanten angeben sollen, von denen wir günstig unsere Komponenten beziehen“, sagt er. Denn damit würde sein Unternehmen um einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gebracht.
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